In Schotten und Nidda wird zurzeit diskutiert wie und in welchem Umfang mehr Natur im Staatswald zugelassen wird. Die Kreisverbände des Naturschutzbund Deutschland (NABU) und des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) melden sich nun zu Wort: „Wir werben dafür, dass im Vogelsberg einige Waldflächen so wachsen dürfen, wie die Natur das will.“

„Die Kreisverbände des NABU und des BUND, finden: das ist eine Chance für mehr Natur im Vogelsberger Wald“, so Dr. Wolfgang Dennhöfer „ Wir sind es unseren Enkeln schuldig, diese Chance auch zu nutzen.“ Leider werde die aktuelle Diskussion von zahlreichen Missverständnissen geprägt.

Wie Karl Heinz Zobich, Kreisvorsitzender des NABU ausführt, geht es aktuell darum, in ganz Hessen 8% im Staatswald zu finden, die sich natürlich entwickeln dürfen. 6% wurden bereits 2013 vom Landesbetrieb Hessen-Forst als nutzungsfreie „Kernflächen“ benannt, es „fehlen“ noch ca. 5.800 ha“. „ Die Bundesregierung und das Land Hessen haben aus gutem Grund im Rahmen ihrer Biodiversitätsstrategie beschlossen einen kleinen Teil der Waldfläche der Natur zu überlassen. Der weitaus überwiegende Teil soll weiter bewirtschaftet werden wie bisher.“ so Zobich weiter, „Unsere reiche Gesellschaft erwartet von armen Ländern, dass sie ihre Urwälder erhalten.“

Welche Flächen dafür ausgesucht werden, darüber diskutieren Forstverwaltung und Naturschützer. Die Verbände NABU, BUND, Greenpeace, WWF und die Zoologische Gesellschaft Frankfurt haben im Oktober 2015 dem Umweltministerium vorgeschlagen, diese Ausweisung in Form von wenigen großen Flächen von 500 – 1000 ha vorzunehmen. Darunter sind auch Flächen im Oberwald bzw. im Bereich des Forstamts Nidda. Es geht also nicht (wie in der Presse irrtümlich berichtet) um „weitere

10.812 ha zusätzlich“. Dem Umweltministerium wurden für ganz Hessen verschiedene geeignete Flächen vorgeschlagen, aus dieser Liste sollen dann die 5.800 ha Prozessschutzfläche ausgewählt werden.

„Zumindest ein kleiner Teil unserer deutschen Wälder soll wieder zu einem natürlichen Wald werden dürfen“ fordert W.Dennhöfer vom BUND,“ dort sollen Buchen und Eichen uralt werden dürfen, dort soll der Waldboden nicht von schweren Fahrzeugen verdichtet werde, dort darf dann einfach „Natur sein. Wir sehen darin einen ganz wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität in unseren Wäldern und eine Verpflichtung die wir für die Menschen haben, die nach uns kommen.“ Die beiden Naturschützer sind sich einig:“Wenn solche Flächen hier bei uns im Vogelsberg klug ausgewählt und ausgewiesen werden, dann ist das eine phantastische Chance für die Regionalentwicklung und für den Tourismus.“.

Ausführlich gehen die beiden Verbände auf Argumente ein, die aus Kreisen der Forstverwaltung und der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald gegen das Waldschutzgebietskonzept vorgebracht werden:

1. Argument: In Zukunft würde mehr Holz aus importiert, aus Herkunftsländern, die schlechtere Standards anwenden. Richtig ist: an vielen Orten in der Welt wird im Wald nicht nachhaltig gewirtschaftet. Die Vorschlagsliste der Verbände führt aber nicht dazu, dass mehr Holz importiert wird, denn sie dienen der Erfüllung der vom Land schon lange vorgegebenen 5.800 ha. Die vorgeschlagenen Flächen werden also nicht „zusätzlich stillgelegt werden“.

2. Argument: Das „Aus-Der-Bewirtschaftung-Nehmen“ ist schlecht für die Biodiversität, es drohen „artenarme“ Buchenwälder. Richtig ist: in Deutschland sind alte, forstlich seit 80-100 Jahren kaum genutzte Wälder zwar sehr selten – aber wunderschön und artenreich. Wir denken dabei z.B. an die „heiligen Hallen“ oder den Wald auf der Insel Vilm, oder an einige Hangwälder im Bayerischen Wald. Wissenschaftler und Touristen „pilgern“ zu solchen Orten.

Biodiverstät im Sinne von „hoher Artenzahl auf einer bestimmten Fläche“ ist kein Wert an sich. Es kommt sehr darauf an, um welche Arten es sich handelt. Der Wirtschaftsforst ist tatsächlich artenreich, weil hier viele Störungszeiger vorkommen, die gar nicht in den Wald gehören. Dies sind Arten die durch menschliche Störungen (Waldkalkung, Stickstoff-Einträge), Bodenverwundungen (Harvester-Einsatz bei Holzernte), Verdichtung oder Wegebau in den Wald kommen. Häufig handelt es sich um "Neophyten", die anderswo aufwändig bekämpft werden wie Japanischer Knöterich, Indisches Springkraut oder Herkulesstaude. In deutschen Wäldern sind aber typische Waldarten, die auf alte Wälder angewiesen sind, vom Aussterben bedroht. Auch von den seltenen Schwarzstörchne brüten in Hessen die Hälfte auf künstlichen Horstplattformen: weil alte, großkronige Bäume Mangelware im Wirtschaftsforst sind. Solche „Spezialisten“ sollen durch Waldschutzgebiete eine Überlebenschance bekommen. Hier gilt also „Klasse statt Masse“. In Naturwäldern wachsen automatisch die Bäume die am Besten an das Klima angepaßt sind. Eine forstliche Pflanzung von Baumarten ist immer ein Risiko: Bester Beweis sind die Fichtenforste, die die Forstwirtschaft einst großflächig gepflanzt hat (obwohl in Hessen gar nicht standortgerecht), und die nun aufgrund des Klimawandels von Stürmen und durch Borkenkäferkalamitäten dahin gerafft werden. Naturwälder sind außerordentlich wichtige Beobachtungsgebiete, sie zeigen welcher Wald von Natur aus in Hessen wachsen würde!

3. „Argument“: Hier würde der Region etwas übergestülpt. Das ist – zumindest für den Vogelsberg- so nicht richtig. Die Kreisverbände des NABU (federführend K.H. Zobich) und des BUND (federführend W.Dennhöfer) haben hier eng zusammengearbeitet. Sie haben ihren Landesverbänden zwei „Kernflächen“ im Oberwald vorgeschlagen: östlich und nordwestlich des Hoherrodskopf - die vorrangig touristisch genutzten Flächen um den Hoherrodskopf wurden dabei ausgespart.

„Die vorgeschlagenen Flächen umfassen die standörtliche Vielfalt des Oberwalds mit verschiedenen Expositionen oder Hangneigungen und Feuchtegradienten“, so Zobich. Noch seien dort einige Buchenbestände älter als 140 Jahre vorhanden. Das Gebiet repräsentiere eine zusammenhängende Ausprägung der montanen nährstoff- und artenreichen Buchenwälder auf Basalt. Die vorherrschende Pflanzengesellschaft ist der Zahnwurz-Buchenwald, stellenweise Flattergras-Hainsimsen-Buchenwälder der Hochlagen, weiterhin Sommerlinden-Bergulmen-Blockschuttwald. Mit dem Naturwaldreservat Rudingshain wurde bereits ein ca. 40 ha großes Waldstück seit gut 25 Jahren aus der Nutzung genommen und die enorme Zunahme der wertvollen Waldstrukturen ist über die begleitenden zoologischen Untersuchungen von Senckenberg dokumentiert.