Heuschrecken und Käfer – bedeutende Sommernahrung für den Weißstorch

Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes war der Sommer 2022 mit 820 Sonnenstunden und einer Durchschnittstemperatur von 19,2 Grad einer der wärmsten seit 1880 und mit nur 145 l Regen pro Quadratmeter der sechsttrockenste Sommer. Vor allem in Hessen war die Dürre groß. So lag die Niederschlagsmenge in Grünberg (Landkreis Gießen) laut HLNUG zwischen dem 01.06 und dem 31.08.2022 bei 52,8 mm.

Von Juli bis August hielten sich bis zu 20 Weißstörche rund um das Seenbachtal auf und schliefen über mehrere Wochen auf den Flutlichtern des Sportplatzes in Grünberg-Lardenbach am Fuße des Vogelsberges. Tagsüber konnten die Störche bei der Nahrungssuche auf den Wiesen und Weiden zwischen Stockhausen und Freienseen beobachtet werden.

Am Schlafplatz fanden sich weit über 100 Speiballen der Weißstörche, die Aufschluss geben konnten über die Nahrungszusammensetzung der Störche. Ergänzt wurde die Untersuchung durch die Analyse von Speiballen eines Brutpaares in Mücke. Dessen Jungvögel im Juli auf dem Horst von einem Storch getötet wurden.

Speiballen vom Weißstorch. Die Größe schwankte erheblich. Die rötliche Farbe weist auf den hohen Insektenanteil hin. Flügeldecken von Käfern sind deutlich zu erkennen.

Die Speiballen waren auffällig rotbraun gefärbt, was bereits auf einen hohen Insektenanteil an der Nahrung schließen ließ. Die Speiballen wurden in Wasser oder Alkohol gelöst und die erkennbaren Bruchstücke und Haarbüschel unter Zuhilfenahme von Sieben und eines Binokulars ausgelesen.  

In den Speiballen fanden sich Flügeldecken, Kopfschilde, Köpfe und Beine von über 20 Käferarten. Darunter neun Laufkäferarten, fünf Rüsselkäferarten, zwei Arten Aaskäfer, Schnellkäfer, Mistkäfer und Balkenschröter. Den Großteil der Speiballen machten in den meisten Gewöllen neben Pflanzenresten kleine im Magen des Storches zermahlende und von der Magensäure aufgelöste Bruchstücke von Heuschrecken aus. Die Beißwerkzeuge (Mandibeln) waren gut erhalten, seltener auch Beinfragmente, Köpfe oder Oberkörper.

Die Anzahl der Käfer, die sich über die Flügelfragmente und vor allem die Köpfe abschätzen ließ, war von Gewölle zu Gewölle sehr verschieden.

Insektenteile in 16g Speiballen: v.l.n.r.: Flügeldecken und andere Käferteile, Mandibeln von Heuschrecken, Heuschreckeneier, darunter Teile von Beinen, Heuschrecken Köpfe und Thoraxe; o.r. Haarbüschel von Kleinsäugern.

Insektenteile in einem 18g Speiballen: v.l.n.r.: Käfer-Flügeldecken, Körper von Rüsselkäfern, Käferköpfe, Halsschilde, Beinteile von Käfern; ganz rechts Mandibeln von Heuschrecken; o.r.: Eier von Heuschrecken und ein Steinchen.

In einem 26g Gewölle fanden sich 259 Käferköpfe, in einem 16 g Speiballen waren die Reste von etwa 10 Käfer nachweisbar, aber gleichzeitig fanden sich 730 Mandibeln von Heuschrecken. Gleiches gilt für die Anzahl der Heuschrecken, die über das Auszählen der Mandibeln annährend ermittelt werden konnten. So fanden sich in einem 16 g schweren Gewölle 730 Mandibeln, in einem 5g Gewölle 570 Mandibeln. Teils waren die Mandibeln aber so klein, dass viele sicherlich nicht aussortiert werden konnten. Auch Reste von Ohrenkneifern konnten vereinzelt nachgewiesen werden.    

Nur selten fanden sich kleine Büschel von Kleinsäugerhaaren. Erd- oder Sandanteile, die auf ein Aufnehmen von Regenwürmern schließen lassen, konnten nicht festgestellt werden. 

Zusätzlich wurden die Störche bei der Nahrungssuche durch ein Spektiv beobachtet. Die erfolgreichen Zugriffe pro fünf Minuten Nahrungssuche wurden für verschiedene Störche gezählt. Ein erfolgreicher Zugriff wurde festgestellt, wenn der Störche eine Nahrungspartikel ergreift, in den Schnabel wirft und verschluckt.

Effektivität der Nahrungssuche von Weißstörchen auf einer Mahdwiese   

Diskussion

Auf den trockenen Wiesen standen Regenwürmer den Störchen nicht zur Verfügung, da die Würmer tagsüber die oberen, sehr trockenen und warmen Bodenschichten wohl meiden. Die Mäusedichte auf den Nahrungsflächen war ebenfalls sehr gering, so dass den Störchen fast nur Insekten als Energielieferanten zur Verfügung standen. 

Die Sumpfschrecke (Stethophyma grossum) ist wegen ihrer Größe wohl eine begehrte Beute. Der Nachtigall-Grashüpfer (Chorthippus biguttulus) versucht es mit Tarnung, den Beutegreifern zu entgehen.

Davon ausgehend, dass die mittelgroßen Grashüpfer der Gattung Chorthippus, von denen sechs Arten auf den Wiesen nachgewiesen werden konnten, im Durchschnitt 0,2 g wiegen und der Storch 500-700 g Nahrung am Tag benötigt, müsste jeder Storch 2500 -3500 Heuschrecken am Tag fressen. Bezieht man die Erkenntnisse der erfolgreichen Zugriffe auf Nahrung/5min mit ein (Median 35), dann zeigen diese Ergebnisse, dass die Störche der Stichprobe alle 8,5 Sekunden erfolgreich waren. Bei dieser Erfolgsquote müssten die Störche pro Tag mindestens 6 - 8 Stunden ununterbrochen Nahrung suchen. Sollten sie die größere Sumpfschrecke (Stethophyma grossum), die ebenfalls auf den Wiesen nachgewiesen werden konnte, erbeuten, reduziert sich der Zeitaufwand.

Zu beachten ist hierbei, dass der energetische Gehalt von Arthropoden laut Lakeberg, H. (1995): (Zur Nahrungsökologie des Weißstorches Ciconia ciconia in Oberschwaben: Raum-Zeit-Nutzungsmuster, Nestlingsentwicklung und Territorialverhalten. – Ökologie der Vögel 17 (Sonderheft): 1.87.) oftmals unterschätzt wird. Viele Insekten hätten einen relativ großen Fettkörper, der bei der Verstoffwechslung mehr Energie freisetzt als Proteine von Säugern oder Amphibien es tun.    

Eine Maus als Beute könnte den Zeitaufwand der Nahrungssuche aufgrund ihres Gewichts dennoch deutlich reduzieren.  Mäuse gab es im Untersuchungsgebiet aber kaum.

Ohne Mäuse oder Amphibien scheint es den Störchen allein wegen des Zeitaufwandes nicht möglich Jungvögel großzuziehen.

Die Ergebnisse zeigen wie groß die Bedeutung von Insekten – insbesondere Heuschrecken und Käfern- für die Ernährung der Störche in Dürrezeiten ist. Es wird aber auch deutlich, dass ohne Zugriff auf Mäuse, Regenwürmer, Amphibien oder Fische, eine Aufzucht von Jungvögeln unmöglich erscheint. 

Olaf Kühnapfel und Paul-Walter Löhr, Oktober 2022


Windkraftanlagen Eckmannshain genehmigt: Tötung von Milanen durch Windkraftanlagen im Vogelschutzgebiet Vogelsberg wird in Kauf genommen .                                                                       Der NABU Vogelsbergkreis kritisiert die Entscheidung.

 

Flügger Jungvogel kreist zwischen den WEA Ober-Ohmen, Foto: Olaf Kühnapfel

 

 

Das Vogelschutzgebiet (VSG) Vogelsberg ist mit über 60.000 ha das größte hessische Natura 2000 -Gebiet und weist zudem die höchste Dichte an Windenergieanlagen in Hessen auf. Ausgewiesen wurde das VSG vor allem wegen der starken Populationen von Rotmilan und Schwarzstorch. Die Rotmilane erreichen hier Dichten von über 12 Paaren pro 100 qkm und damit eine der höchsten Dichten in ganz Deutschland. Windkraftsensible Arten sollen in diesem VSG in ihrem Bestand explizit erhalten werden bzw. anwachsen, um Populationen außerhalb des VSG zu stützen.

 

Das Umfeld der Windkraftanlagen (WKA) bietet Saumbiotope an den Zufahrtswegen, kurzrasige Flächen um den Turmfuß und häufig noch Mähwiesen in der Nachbarschaft, so dass von diesen Flächen eine attraktive Wirkung für den Milan ausgeht. Bei der Nahrungssuche nutzen die Vögel auch die Thermik und kommen so immer wieder in die Nähe der drehenden Rotoren und dabei auch zu Tode. Im Raum Ulrichstein konnten so bisher 23 Rotmilane bei zufälligen Begehungen tot gefunden werden (Dürr, T. 2020 schriftlich). Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Die Rotorspitzen erreichen auch bei recht leichtem Wind schon Geschwindigkeiten von weit über 100 Km/h, denen die Vögel dann nicht mehr ausweichen können.

 

2015 wurde das „integrative Gesamtkonzept“ zur weiteren Entwicklung der Windkraft unter Berücksichtigung der Schutzziele für das Vogelschutzgebiet erstellt. Beteiligt waren das RP Gießen, Umwelt – und Wirtschaftsministerium, Windkraftbetreiber, Kommunen, Planungsbüros und Naturschutzverbände – auch der NABU. Darin wurden auch die noch möglichen WKA-Standorte im Vogelschutzgebiet festgelegt.

 

Neben naturschutzfachlichen Gründen spielten vor allem auch die Windhöffigkeit und Wünsche von Kommunen und Betreibern eine entscheidende Rolle. So wurden letztlich Gebiete in die Planung aufgenommen, die aus Gesichtspunkten des Naturschutzes eigentlich nicht zu rechtfertigen waren. So z.B. die Alte Höhe bei Feldkrücken, der Eckmannshain, die Thorkuppe bei Allmenrod. Zugesichert wurde aber eine Einzelfallbetrachtung und keine Inanspruchnahme von Brutstandorten. Gegen eben diese Prämisse verstößt nach Ansicht des NABU VB die Genehmigung der Anlagen Eckmannshain. Nachweislich und gutachterlich belegt befinden sich drei Anlagen näher als 1000 m an einem Horststandort des Rotmilans und näher als 1500 m an einem weiteren Rotmilanhorst. Die Anlagen erhöhen damit das Tötungsrisiko signifikant, was auch von der Oberen Naturschutzbehörde im Sinne von § 44 BNatSchG bestätigt wird. Die Anlagen wurden dennoch genehmigt. Als Ausnahmegründe für den Verstoß gegen das Tötungsverbot wurden entsprechend § 45 BNatSchG das „Interesse der öffentlichen Sicherheit“, „maßgebliche günstige Auswirkungen für die Umwelt“ und „andere zwingende Gründe des öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art“ angeführt.

 

 

Foto: Olaf Kühnapfel

 

 

Um das Tötungsrisiko zu begrenzen ist vorgesehen, die Anlagen tagsüber vom 01.03. bis 31.08. bei Windgeschwindigkeiten von </= 4,8m/sec abzuschalten. Diese artenschutzrechtlichen Maßnahmen, die in abgewandelter Form auch für Fledermäuse geplant sind, begrüßt der NABU. Das verbleibende erhöhte Tötungsrisiko durch einen weiteren Zubau von WKA im VSG, einem nachgewiesenen Populations-hotspot des Rotmilans, dessen Risiko von WKA zu Tode zu kommen als sehr hoch eingestuft wird, begrüßt der NABU nicht.

 

Der NABU Vogelsberg bekennt sich ausdrücklich zum naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien und auch zur Nutzung der Windenergie, um das 1,5 Grad Ziel erreichen zu können.  Dies kann aber nicht bedeuten, dass selbst in einem Vogelschutzgebiet der Artenschutz hintenangestellt wird. Aus diesem Grund beteiligt sich der NABU VB an der Klage gegen die WKA Eckmannshain.

 

 

 

07.02.2022

 

 

 

 

 

Kolkraben – Flugakrobaten im Vogelsberg

 

Im winterlichen Wald gehören die Rufe der Kolkraben zu den wenigen Lauten, die die Stille durchbrechen. Neben dem tief und metallisch klingenden „krroap krroap“ sind im Januar/Februar auch die ersten Balzrufe zu hören. Mit einem hohlklingenden „klong“ macht der Rabe den Anspruch auf das Revier deutlich. Darüber hinaus verfügen Raben über einen individuell erlernten „Wortschatz“. Spektakulär sind auch die Flugspiele der Raben. Bei den Balzflügen legen die Raben die Flügel an den Körper an, drehen sich schwungvoll auf den Rücken, fliegen also rücklings, und drehen sich dann wieder zurück. Wohl kaum ein anderer Vogel beherrscht diese Flugakrobatik. Die Fotos unten zeigen Ausschnitte dieses Flugmanövers.

 

 

Durch massive Bejagung wurden die Kolkraben zu Beginn des 19. Jahrhunderts in weiten Teilen Europas durch die Jagd ausgerottet. Das letzte sichere Brutpaar in Hessen wurde 1912 nachgewiesen.  

 

Nach konsequentem Schutz konnte 73 Jahre später, 1985, wieder ein Brutpaar für Hessen nachgewiesen werden und seit den 90er Jahren erfolgte auch die Wiederbesiedlung des Vogelsbergs. Die intelligenten Vögel nahmen rasch im Bestand zu und so dürften im Vogelsberg aktuell um die 200 Reviere besetzt sein.

 

Als Allesfresser ernähren sich Kolkraben u.a. von Würmern, Schnecken, Mäusen, Maiskörnern und auch Aas. An Aufbrüchen, den Innereien von erlegtem Wild, treffen sich mitunter mehrere Dutzend Raben zum gemeinschaftlichen Mahl. Raben sind äußerst soziale Vögel. Vor allem im Herbst und Winter fliegen sie mitunter weite Strecken, um gemeinschaftlich in ruhigen Waldungen zu schlafen. Diese Schlafplätze dienen wohl dem Informationsaustausch und dem Kennenlernen. Im Vogelsberg konnten an diesen Schlafplätzen schon mehrere Hundert Raben gezählt werden, bei denen Anflugstrecken von bis zu 20 Kilometer nachgewiesen werden konnten.  Kolkraben bauen ihren Horst aus kräftigen Ästen, die sie in Mikado-Manier aufeinanderschichten. Sie beginnen vielfach schon im März mit der Brut, sind recht reviertreu und leben viele Jahre mit demselben Partner zusammen.

 

 

Olaf Kühnapfel